Jakob und sein Herr by Diderot Denis

Jakob und sein Herr by Diderot Denis

Autor:Diderot, Denis
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-03T05:00:00+00:00


Ich weiß nicht, wo die Wirtin, Jakob und sein Herr den Kopf gelassen hatten, um nicht auf einen einzigen von den Umständen zu verfallen, die sich zur Entschuldigung der Mademoiselle Duquênoi anführen ließen. Ahnte dieses Mädchen vor der Lösung etwas von den Ränken und der List der Frau von Pommeraye? Würde sie nicht lieber die Anerbietungen des Marquis als seine Hand angenommen und ihn lieber zum Liebhaber als zum Gemahl gehabt haben? Stand sie nicht beständig unter der Gewalt und dem Despotismus der Marquise? Kann man sie wegen ihres Abscheus vor ihrem ehemaligen schändlichen Gewerbe tadeln? Und wenn man sie deswegen höher schätzt, kann man von ihr viel Delikatesse und viel Gewissenhaftigkeit in der Wahl der Mittel fordern, sich aus dieser verhaßten Lage zu befreien?

Du bildest dir vielleicht ein, Leser, eine Apologie der Frau von Pommeraye möchte weit schwerer zu machen sein, und es wäre dir vielleicht angenehmer gewesen, Jakob und seinen Herrn darüber klügeln zu hören; aber sie hatten von so vielen und so interessanten Dingen miteinander zu sprechen, daß sie dieses wahrscheinlich darüber aus der Acht gelassen haben. Erlaube also, daß ich mich selbst einen Augenblick damit beschäftige.

Du gerätst bei dem Namen der Frau von Pommeraye in Wut und rufst aus: ›Das abscheuliche Weib! Die Heuchlerin!‹ Keine Bitterkeit, keine Parteilichkeit, keine Ausrufungen! Wir wollen ganz kalt davon reden. Es geschehen täglich weit schwärzere Taten ohne so viel Verstand und Kopf. Du kannst Frau von Pommeraye hassen oder fürchten, aber verachten kannst du sie nicht. Ihre Rache ist gräßlich; allein sie wird nicht durch Eigennutz befleckt. Man hat dir nicht erzählt, daß sie dem Marquis den schönen Diamanten, womit er sie beschenkt hatte, an den Kopf warf; aber sie tat es, wie ich aus den sichersten Quellen weiß. Es war hier nicht die Rede davon, größeren Reichtum zu erlangen oder Ehrentitel zu erhaschen. Also – wenn die Dame dies alles getan hätte, um ihrem Manne eine Belohnung für seine Dienste auszuwirken, wenn sie einem Minister oder seinem Ersten Sekretär sogar ihre Tugend aufgeopfert hätte, um ein Ordensband oder eine Leibkompanie für ihn zu erbetteln, oder dem Herrn, der die Pfründenliste in Verwahrung hat, um eine reiche Abtei für ihn zu erschnappen, so fändest du das alles höchst natürlich, und die Allgewalt des Herkommens würde sie bei dir entschuldigen. Wenn sie aber für eine Treulosigkeit Rache nimmt, empörst du dich gegen sie, anstatt einzusehen, daß ihr Groll dich nur deswegen so entrüstet, weil du dich unfähig fühlst, einen ebenso starken zu empfinden, oder weil du auf die Tugend der Frauen fast gar kein Gewicht legst. Hast du dir überlegt, wie viele Opfer Frau von Pommeraye dem Marquis gebracht, wieviel sie für ihn getan hat? Nicht zu gedenken, daß ihre Schatulle ihm bei jeder Gelegenheit offenstand und daß er viele Jahre lang kein anderes Haus, keinen anderen Tisch hatte als den ihrigen, denn darüber würdest du nur mißbilligend den Kopf schütteln; aber sie hatte sich auch nach allen seinen Launen, allen seinen Neigungen gerichtet und den ganzen Plan ihres Lebens umgeändert, um ihm gefällig zu sein.



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